Kinderfreibeträge im VZ 2014 verfassungswidrig zu niedrig?Veröffentlicht am 26.02.2016 von Wimmer in der Kategorie Allgemein

KindergeldDer 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat die Vollziehung eines Bescheides über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2014 aufgehoben. Nach Auffassung des Senats bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides, weil die Kinderfreibeträge bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung aus mehreren Gründen verfassungswidrig zu niedrig sind (FG Niedersachsen, Beschluss v. 16.2.2016 – 7 V 237/15).

Hierzu führten die Richter u.a. weiter aus:

  • Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist es verfassungsrechtlich geboten, das Existenzminimum nicht nur der Steuerpflichtigen, sondern auch ihrer einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kinder steuerlich freizustellen. Es darf niemand Steuern auf Einkommen in einem Bereich bezahlen, in dem Bedürftige bereits einen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Die Ermittlung des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern erfolgt regelmäßig durch die Existenzminimumberichte der Bundesregierung.
  • Im Neunten Existenzminimumbericht vom 7.11.2012 hatte die Bundesregierung das sächliche Existenzminimum eines Kindes im VZ 2014 mit jährlich 4.440 € festgestellt und angekündigt, zur verfassungsgerechten Besteuerung werde der Kinderfreibetrag von 4.368 € um 72 € für den VZ 2014 angehoben.
  • Diese Ankündigung hat der Gesetzgeber jedoch nicht umgesetzt. Die Kinderfreibeträge sind vielmehr erst ab dem VZ 2015 angehoben worden. Zu dieser Problematik ist beim Finanzgericht München ein Musterverfahren anhängig (Aktenzeichen dort: 8 K 2426/15).
  • Im Übrigen hat das Gericht auch deshalb ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrages, weil der Gesetzgeber lediglich ein durchschnittliches Existenzminimum von 258 € pro Monat berücksichtigt, das unter dem Sozialleistungsanspruch eines 6-jährigen Kindes (Regelsatz 2014: monatlich 261 €) liegt.
  • Außerdem hat der Gesetzgeber für ein volljähriges Kind keine Ermittlungen zur Höhe des Existenzminimums angestellt, sondern wendet den Satz für minderjährige Kinder an. Diese Methode ist weder sachgerecht noch folgerichtig und damit nicht mehr vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt.
  • Zahlen Eltern Unterhalt für ein volljähriges Kind, für das kein Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag besteht, wird das Existenzminimum nach § 33a Abs. 1 EStG höher – nämlich mit dem Grundfreibetrag – angesetzt, als wenn das Kind z.B. studiert. Auch das hält das Gericht für nicht folgerichtig.
  • Das Gericht weist abschließend darauf hin, dass die gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufige Festsetzung der Einkommensteuer und des Solidaritätszuschlages hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG die Verfassungsmäßigkeit des um 72 € zu niedrigen Kinderfreibetrages im VZ 2014 und – auch für andere VZ – der Höhe des Kinderfreibetrages nach dem durchschnittlichen Existenzminimum nicht umfasst, weil diese Fragen bislang nicht Gegenstand eines Verfahrens bei dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht sind.
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